Willkommen in meinem Bondage-Forum! Ich wünsche uns allen qualifizierte Beiträge, regen Austausch und viel Spaß! Forum powered by Nutzungsbedingungen geschrieben von nachtschatten am 16.11.2011 um 19:32:02 - als Antwort auf: "Die richtige Sub" ...zum Beitrag von Seilchen von nachtschatten Hallo an Alle, erst mal danke für die Antworten! Ich habe beschlossen auf alle Beiträge in einem Text zu antworten, weil es dann vielleicht einfacher ist, die Diskussion weiter zu führen. (es muss dann nicht erst jeder weitere drei Texte von mir lesen) Und noch vorab: Ich erspare mir in diesem Text das ewige und anstrengende Neutralisieren der Geschlechter. Wenn ich also von weiblichen Subs rede, dann ist das eben die eine Seite, die ich zur Anschauung heranziehe. Erst mal zu Steve: Das was du von dir beschreibst ist ja genau nicht das, was ich mit „Konsumenten-Haltung“ meine. Du hast dich mit deiner Partnerin über Jahre auseinandergesetzt und dich damit auf die Wünsche, Tabus und Vorstellungen eines Menschen eingelassen. Im Übrigen ist es auch bei meiner Freundin so, dass sie immer wieder nachdrücklich betont, dass sie NIEMALS von sich aus auf die Idee gekommen wäre, sich von jemanden Fesseln zu lassen, und sich das auch nur mit mir vorstellen kann. Dennoch meinte sie schon mal nach einer Session etwas verwirrt: „Ich glaube, ich bin doch Masochistin“. Ich konnte da natürlich erst mal nur breit grinsen. Aber worauf es letztlich ankam war, dass wir an einem schönen Nachmittag gemeinsam auf der richtigen Ebene lagen. Solche Momente zu erreichen kostete auch uns all die Arbeit, die ihr alle auch immer wieder beschreibt (was auch mir dann oft Mut gemacht hat) Nun will ich mal ein wenig gedankliche Achterbahn fahren (wer bereit ist möge einsteigen): Steve, deine Frau spielt nach deinen Worten das Spiel dir zuliebe gelegentlich mit und findet auch gefallen daran. Was würde denn nun eine „echte Sub“ anderes bieten? Bedeutet eine „echte Sub“, dass sie alles von sich aus gerne mitmachen will? Ich bin hier ganz froh über den Text von Liara! ... Ich finde, bei deinem Text, Liara wird noch einmal ganz deutlich klar, dass es auch jemandem, der sich selbst als „Sub“ bezeichnet ganz ausdrücklich darum geht, ebenso Wünsche und Ansprüche zu haben. Genauso wie bei jeder anderen Partnerin geht es darum, gemeinsame Ebenen zu finden, aufeinander zuzugehen, sich zu respektieren. Und am Ende geht es eben immer um Menschen, die sich Aufmerksamkeit, Liebe, Hingabe und Erotik wünschen. Es ist überhaupt nicht so, dass man nur die „Marke Dom“ und die „Marke Sub“ zusammenbringen muss, und dann ist alles gut. Es treffen sich hier genauso zwei Menschen und es kann ebenso schief gehen wie man auch immer Kompromisse machen muss, sich gemeinsam entwickeln muss. Wenn sich nun eine Partnerin ohne bekundetes Interesse an SM auf derartige Spiele einlässt und daran Gefallen findet, ist sie dann nicht ebenso „echt“? Ist nicht sogar der Witz an der Vorstellung der „echten Sub“ - dass sie sich auf Wunsch des Partners hingibt, nicht aus eigenem – hier noch vielmehr gegeben? Und wie steht es dann mit der „echten Sub“? Macht nicht genau die Tatsache, dass sie den bekundeten Wunsch verspürt, sich auszuliefern genau jenen illusorischen Aspekt der „Echtheit“ zunichte, da sie es ja letztlich aus eigenem Wunsch tut? Und wieder andersherum: Wäre sie eine echte Sub, wenn sie in dem Moment keinen Gefallen findet, an dem was geschieht, sondern es eben nur tut, weil es erwartet wird? Wir kommen hiermit zum spannendsten Aspekt, den ich in BDSM sehe: Der unauflösbaren Paradoxie, dem stets bestehenden Widerspruch in sich, den das alles immer mit sich bringt.(Unfrei aus freiem Willen; Lieben und Demütigen zugleich; Schmerz und Lust etc..) Und nun möchte ich mal eine von mir erdachte Behauptung aufstellen: Der wesentliche Punkt, der vorhanden sein muss, damit man von BDSM (einer BDSM-Aktivität) sprechen kann, und der eine solche von allem abgrenzt, was BDSM missversteht, ist das Vorhandensein genau dieser Paradoxie! Umgekehrt braucht jede Form von „Realsadismus“ oder „Führersehnsucht“ (oder was auch immer) einen ideologischen Überbau, der den Anderen in eine Kategorie zwängt, die es rechtfertigt, ihn zu demütigen, zu verletzen oder ihm blind zu folgen etc... (Man erklärt ihn als „Verbrecher“, als „Menschen zweiter Klasse“, als „göttliche Person“ usw...) Auf diese Weise gelingt es, die Paradoxie auszuschalten und den Menschen nicht mehr zugleich lieben zu müssen, als gleichwertigen Menschen anzuerkennen. (Ich möchte sogar behaupten, dass der wesentliche Antrieb all der grausamen und schrecklichen Verbrechen der Menscheitsgeschichte nichts anderes war als sublimierter sexueller Sadismus. Möglich gemacht durch die Kategorisierung von Menschen - z.B. der Frau als höriges Eheweib ohne Rechte etc..) Ich bin der Meinung, der wesentliche Unterschied zwischen dem, was wir als kriminell bezeichnen würden, und dem, was wir als BDSM bezeichnen liegt darin, ob das Moment der Paradoxie im Handeln anerkannt wird, oder nicht. (Das heisst, dass ich anerkenne, dass ich immer noch einen Menschen mit seiner Geschichte, seinen Bedürfnissen, seiner Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit vor mir habe und dass das den Phantasien, die man miteinander auslebt, immer einen unvereinbaren Widerspruch gegenüberstellt!) Ich würde sogar vorschlagen, diesen Aspekt der Paradoxie als eine Erweiterung der Konsensethik in die Frage nach „verantwortlichem SM“ aufzunehmen. Und nun komme ich nochmal zu der Frage nach der „echten Sub“: Ist nicht jener Schritt, Menschen als „submissiv veranlagt“ zu bezeichnen und ihnen damit schlichtweg eine Kategorie zuzuteilen, ein Versuch, das „ewige Paradox“ auszuschalten und seinem Handeln als Dom eine ideelle Vorstellung von Menschen zur eigenen Rechtfertigung zunutze zu machen? Ich meine, hört man nicht in genau diesem Moment auf, sich selbst und dem Anderen immer wieder die wichtige Frage nach der eigenen Verantwortung zu stellen? (Ich meine damit, dass die Antwort eben nicht sein darf: „weil du halt eine Sub bist.“) Ich möchte noch einmal erklären, dass ich hier nicht von den meisten Geschichten schreibe, die ich hier im Forum mitbekomme. Mir geht es eher darum, was mir immer wieder vor Augen kommt, wenn ich in Foren oder im Netz allgemein lese, oder von Frauen mit submissiven Neigungen höre, was sie sich da alles anhören müssen (danke nochmal an Liara, für ein wenig Beispiele zu dem, was ich eigentlich meine) Ich denke da an zunehmende Menschen, die z.B. im Netz nach Antworten auf schwer zuordenbare Sehnsüchte suchen und dann erzählt bekommen: „Ganz klarer Fall, du hast Sub-Gene, such dir am besten einen richtig strengen Herren, der gibt dir dann, was du brauchst.“ Ich habe da schon von ein paar Geschichten gehört, wo sowas auch gründlich schiefging. Und den Missvertändnissen, die über BDSM geschürt werden gibt das nur Wasser auf die Mühlen. (Ich denke der umgekehrte Fall von Menschen, die ihre Minderwertigkeitskomplexe damit überwinden müssen, dass sie sich dann als der Ultra-Dom hinstellen gilt da genauso) Hier möchte ich nochmal den Punkt mit dem Konsens anbringen: Wenn eine unsichere Frau ohne viel Erfahrung irgendwas von „Sub-Sein“ gehört hat, dann ist es vielleicht ein Konsens, wenn sie zu jemandem „Ja“ sagt. Aber das reicht aus meiner Sicht nicht aus, um ein D/s- Verhältnis zu rechtfertigen. Nicht, solange wir unsere „Sparte“ als etwas vertreten wollen, das selbstständige und selbstbewusste Menschen miteinander betreiben. Das Erkennen des unüberwindbaren Widerspruchs in den eigenen Wünschen ist dabei etwas, was ich als wichtigen Schritt zur „BDSM-Reife“ bezeichnen würde – und überhaupt nicht die absolute Identifikation mit einer Rolle. Ich meine also, je mehr wir beginnen, allgemeinverbindliche Kategorien und Regeln aufzustellen, umsomehr verlieren wir den Kontakt zum Menschsein und zur Verantwortung, die sich BDSMler so groß auf die Fahne geschrieben haben. Anders: Ich habe mich auch schon bei dem Gedanken ertappt, dass ich dachte: „Wenn meine Freundin so richtig heftig auf das alles stehen würde, dann wäre alles viel einfacher.“ Aber genau das ist der Trugschluss. Wenn es gerade wirklich schön läuft, dann ist meine Freundin eine „echte Sub“, nur dass ihr das schon immer sch....egal war. Wir leben das, was bei uns gemeinsam funktioniert und das macht uns oft glücklich und geht auch manchmal in die Hose. Aber jener Glaube, irgendwo dort gibt es die völlig willenlose Sub, an der ich mich nur bedienen bräuchte, ganz ohne Gewissen, weil sie es ja so braucht und will – genau das wäre die „Konsumenten-Haltung“, die ich meinte. Ich würde nicht mehr nach dem Menschen fragen, sondern ihn in eine Kategorie stecken, die das kritische Hinterfragen meiner eigenen Wünsche unnötig macht. Somit ist das, was da als „richtige Sub“ in unseren Köpfen herumschwirrt nichts als der Wunschtraum, der das unerträgliche Paradox in unseren eigenen Wünschen aushebeln will. Das gilt auch für jede Frau, die mit aller Gewalt gegen sich selbst versucht, die „richtige Sub“ zu sein. Ich lasse das jetzt mal so stehen und würde mich über weitere Anregungen zum Thema wirklich freuen. An BigBoy: Ja, es steckt viel Aufwand und Zeit dahinter, solche Texte zu formulieren. Zeit und Aufwand mit dem Andere vielleicht eher Geld verdienen und sich dafür etwas Schönes leisten können (z.B. neue Ledercuffs, Knebel, Spreizstangen, Bondageseile, Pranger, Peitschen, Masken, Vibratoren, Korsetts... ;-)) Ich nutze diese Zeit gerne, um meine Gedanken frei zu teilen. Umso wertvoller ist es mir dann aber, wenn ich auch Rückmeldungen und Antworten bekomme. Das bedeutet nach einem solchen Aufwand sehr viel, auch wenn es nur mal ein paar kurze Worte sind, die mir zeigen, dass jemand aufmerksam war und es zu schätzen weiss. Das tolle an Foren ist doch, dass hier Sachen geschrieben werden, die so wertvoll sind, dass keiner dafür Geld ausgeben würde, um sie in einer schicken Fachzeitschrift zu lesen. ;-) liebe Grüsse an Alle nachtschatten --- Ich, Seilchen, distanziere mich hiermit vom Inhalt dieses Beitrags und mache mir diesen in keiner Weise zu eigen. 16.11.2011 19:32 --- Antworten zu diesem Beitrag:
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